Für die Bordbibliothek

23. Januar 2022
Kategorie: 
Sonstige

Küstenhandbuch Ostsee : Deutschland – Dänemark – Schweden – Finnland – Russland – Baltikum – Polen
(Edition Maritim/Delius Klasing, 1. Aufl. 2020. 484 Seiten, 704 Fotos und Abb. - ISBN 978-3-667-11846-2. 69,90 €)

Dieser schon äußerlich beeindruckende Wälzer –  Format DIN A 4 mit 484 Seiten, 2,25 kg schwer und 3,8 cm dick – basiert auf der englischen Originalausgabe der Royal Cruising Club (RCC) Pilotage Foundation aus 2017. Die im Internet bei Imray abrufbaren Updates (bisher Juni 2021 verfügbar) sind in der vorliegenden deutschen Ausgabe weitgehend eingearbeitet.
Das reich illustrierte Buch (rund 400, z.T. ganzseitige Abbildungen und 330 Karten/Pläne) liefert einleitend kurz einige grundlegende Hinweise zum Ostsee-Segeln an sich wie beispielsweise zur Navigation und Ausrüstung, den Einreiseformalitäten sowie erforderlichen Dokumenten, Liegeplatz-Usancen und Anlegetechniken einschließlich bei Naturhäfen/Schären, Versorgung, relevanten Zahlungsmitteln und Besonderheiten zur Gesundheit wie z.B. Zecken (aber auch Saunanutzung!).
Zu den im Untertitel angegebenen Ostsee-Anrainerstaaten werden alle genannten Themen in den einzelnen Kapiteln länderspezifisch vertieft (Baltikum = Litauen, Estland, Lettland). Dies schließt Tipps zu Kartenmaterial und Törnführern ein. Dabei fehlt ein kurzer geschichtlicher Abriss zur Ostseebesiedlung insgesamt und der Entwicklung der einzelnen Länder – auch geographisch betrachtet - nicht. Ebenfalls findet man Kurzbeschreibungen der möglichen Anreisewege – teilweise ausführlicher in den Länderkapiteln – vor (u.a. per Boot: Skagerak, Limfjord, Nord-Ostsee-Kanal und Götakanal inkl. Trollhättakanal, kurz auch von Berlin aus).
Natürlich kann ein Handbuch über ein derart großes Gebiet nicht Hafenpläne und Fotos zu allen vorhandenen Liegeplätzen und Buchten liefern, sondern nur zu den größeren oder bedeutenderen. Trotzdem gibt es zu jedem Land und den dortigen Wassersportregionen Übersichtskarten in unterschiedlichen Maßstäben (z.B. für Deutschland auch Flensburger Förde, Kieler Bucht und Schlei oder Peenestrom) und zu den einzelnen Revieren und aufgeführten Häfen recht detaillierte Angaben (z.B. nautische Besonderheiten inkl. Leuchtfeuerangaben, Betonnung, Tiefenangaben und ggf. Strömungsverhältnisse, Hafenpläne und Versorgungsmöglichkeiten bis hin zu Telefonnummern der Hafenbüros oder Verkehrszentralen, daneben häufig touristische Hinweise zu Städten oder der Umgebungslandschaft).
Insgesamt eine lohnende Anschaffung, um sich im „Sehnsuchtsrevier Ostsee“ (vgl. Für die Bordbibliothek, 08.03.2021) aus den vielen Möglichkeiten ein Ziel für den ersten bzw. nächsten, vielleicht eher längeren Törn auf der Ostsee auszusuchen oder – dank des inhaltlichen Umfangs des Handbuchs - mit dem Wunsch „Ostsee-rund“ konkreter zu beschäftigen. Um die Nutzung von Hafenhandbüchern mit großräumigeren Anfahrtsplänen aus den ohnehin erforderlichen aktuellen Seekartensätzen und der auch touristisch noch detaillierteren Törnführer für die jeweils ausgewählte Zielregion wird man allerdings nicht herumkommen. Aber das ist angesichts der Fokussierung auf die wesentlichen Häfen auch nicht der erklärte Anspruch dieses Handbuchs.
Hans-Joachim Motzkus
 

Lebenserinnerungen eines alten Seefahrers / Wir Ertrunkenen / Bonavista

Wer sich mit der frühen Handelsschifffahrt auf Rahseglern beschäftigen möchte, dem sei an dieser Stelle das Büchlein „Lebenserinnerungen eines alten Seefahrers“ von Kapitän Hermann Sandmann empfohlen. Er erzählt, wie er als zwölfjähriger Waise seine Laufbahn auf einem der größten Papenburger Schiffe begann. Nach dem immer wieder von Seereisen unterbrochenem Besuch der Navigationsschule wird ihm Dank seines Fleißes und seiner Beharrlichkeit nach bestandener Prüfung 1845 die Führung eines Schiffes von einem Reeder aus Leer übertragen. Zu diesem Zeitpunkt ist er gerade mal sechsundzwanzig Jahre alt. Kreuz und quer über die Weltmeere ist er dann mit unterschiedlichsten Ladungen unterwegs. Häufig wird diese vor Anker liegend in einer Flussmündung auf kleinere Schiffe umgeladen und von diesen anschließend flussaufwärts in die heute großen und ausgebauten Hafenstädte gebracht. In jener Zeit wurden auf dreiundzwanzig Werften in Papenburg seegehende Holzschiffe gebaut. Gegenwärtig gibt es in Papenburg nur noch die Meyer Werft, die sich auf den Bau bzw. die Modernisierung von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert hat.
Das Büchlein wurde 1896 in Emden verlegt, ich fand im Nachlass meines Vaters eine Version von 1982, die vom Urenkel in Fraktur noch einmal aufgelegt worden war. Wie das Buch in den Besitz meines Vaters kam, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Antiquarisch ist eine Auflage aus dem Oceanum-Verlag oder vom Heimatverein Papenburg e.V. zu bekommen.

Hermann Sandmann: Lebenserinnerungen eines alten Seefahrers oder Erlebnisse und Beobachtungen von frühster Jugend bis zum 78. Lebensjahre / hrsg. von Ursula Feldkamp und Karl-Wilhelm Wedel. Deutsches Schiffahrtsmuseum
(Oceanum Verl., 1. Aufl. 2011. 168 S. ISBN 978-3-86927-133-0. Antiquarisch zwischen 8 und 20 €, neu über Lehmanns, 17,90 €)
[Antiquaria u.a. über: www.amazon.de, www.abebooks.de, www.booklooker.de, www.zvab.com]
Inhaltsverzeichnis bei Lehmanns

Zur gleichen Zeit spielt der unbedingt empfehlenswerte Roman „Wir Ertrunkenen“ von Carsten Jensen. Der Autor wuchs in Marstal auf der dänischen Insel Ærø auf und ähnlich wie Papenburg ist Marstal zu dieser Zeit ein sehr bedeutender Hafen und Umschlagplatz mit seinen Werften im Holzschiffbau seegehender Schiffe.
In diesem Roman geht es um Menschen, deren Leben vom Meer bestimmt ist, von Männern, die ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer folgen, und von Frauen, die dem Meer, das ihnen die Männer und Söhne raubt, den Kampf ansagen.

Carsten Jensen: Wir Ertrunkenen
(Penguin, Taschenbuchausg. 2018. 816 S. ISBN: 978-3-328-10264-9. 13 €)
Leseprobe auf der Website des Verlags

Die historische Bedeutung von Marstal für die dänische Seefahrt erkennt man auch daran, dass die Firma Maersk, heute die weltgrößte Firma für Containerschiffe mit Sitz in Kopenhagen, hier ihren Ursprung hat.
Als Zeugin der historischen Schifffahrt liegt jetzt wieder die 1914 gebaute Bonavista, eine der letzten drei Marstal-Schoner aus der Neufundlandfahrt an der Pier von Marstal. Sie wurde 2021 nach vielen Jahren und hauptsächlich ehrenamtlich von den wenigen verbliebenen Holzschiffbauern saniert. Sie und das 1929 begründete Marstal-Søfartsmuseum zeigen Dänemarks maritimes Erbe (vgl.: Yacht Nr. 4/2021
S.102 ff).
Benedikt Heüveldop